Lebensbilder

„Viel Hetz haben wir gehabt“

Die Lebensgeschichte von Josef Thaler

Josef Thaler ist im Oktober 1944 in Sterzing geboren. Seine Eltern, Hermann und Maria, lebten auf dem Plattnerhof in Raminges, den sie in Pacht hatten. Dort wuchs Josef mit seinen sechs Geschwistern auf. Einer seiner Brüder ist schon vor langer Zeit gestorben, eine Schwester wohnt in Meran, eine in Bozen, ein Bruder in Innsbruck, und der Bruder Hermann lebt in Gossensaß. Josefs Vater war Sattler und Tapezierer, seine Mutter war Hausfrau. Trotz des kurzen Schulweges hat Josef lieber die Schule geschwänzt. Drei Winter lang ist er gerne zur Schule gegangen, sagt er, da er damals eine ganz besondere Lehrerin hatte. Sie hieß Resi, ist aber nach Amerika ausgewandert. Schon mit sieben Jahren musste Josef auf verschiedenen Almen als „Hiatabua“ beim Gallvieh im Einsatz sein. Danach arbeitete er im Winter als Holzarbeiter in Gossensaß und im Sarntal. Er hat auch als Knecht mit dem Viehhändler, dem Siller Peter, auf den Märkten gehandelt. Zum Sarner und Stegener Markt sind sie immer mit einem doppelstöckigen Lastauto hingefahren. Josef hatte auch einige Pferde, vier Haflinger und einen Noriker, die er gern gepflegt hat.

„Gelenkig und schwungvoll musste man sein“

Seinem Onkel Franz hat er zu verdanken, dass er zu den Sterzinger Schuhplattlern gekommen ist. Der Haller Ferdl hat ihm diesen besonderen Volkstanz gelernt. Josef erinnert sich, dass Ferdl vor langer Zeit beim Steinesuchen in Pfunders tödlich verunglückt ist. Durch das Schuhplattln ist er in der Welt herumgekommen und konnte viele Leute unterhalten. Er ist mit der Schuhplattlergruppe nach Deutschland und Österreich gereist, sie sind bis nach Sizilien gefahren, auch in Frankreich sind sie aufgetreten. Die Sprache konnte er nicht, aber mit Gesten konnte er sich trotzdem gut verständigen. Viermal ist er zusammen mit dem Verein mit dem Flugzeug geflogen. „Es war eine ganz nette Schuhplattlergruppe, die vier Frauen machten die Figurentänze und die sechs Männer die Knappentänze“, erzählt Josef. Dabei trugen die Frauen die Laternen und die Männer waren mit Stein, Spitzeisen und Hammer ausgerüstet. Außerdem tanzten sie den Schellenplattler mit Schellen, die einen schönen Klang machten, und den Holzhackertanz. „Gelenkig und schwungvoll musste man schon sein, um all diese Tänze machen zu können“, meint Josef. 

Ich kann lachen und Dummheiten machen, 
Lesen und Kartenspielen sind nicht das Meine.“

Es ist immer alles gut gegangen, nie ist jemand ausgerutscht. Jede Woche wurde trainiert, und zwar im heutigen Vigil-Raber-Saal, da war früher eine Turnhalle. Auch die Fußballer und die Turner haben dort trainiert und die Plattler ebenso. „Viel Hetz haben wir gehabt“, kann sich Josef gut erinnern. „Beim Mader, neben dem Sterzinger Hof, haben wir uns immer getroffen, zusammen mit dem Ziehorgelspieler, dem Hittaler Gustl, dem Vater vom Konrad, der vor nicht allzu langer Zeit verstorben ist.“ Der Gustl hat über zehn Jahre für die Gruppe gespielt und war auch Uhrmacher. Josef hat immer gern getanzt und kein Wiesen- und Waldfest ausgelassen. Die Waldfeste fanden damals im Park oberhalb vom Steindl statt. So hat er eine schöne Zeit erlebt. Klänge waren immer schon seine Leidenschaft und sein Hobby. Er hat eine Vorliebe für Kuhglocken und kann immer noch durch bloßes Drüberstreifen mit der Hand am Schellenrand die Güte des Klanges feststellen. 

Der neue Lebensabschnitt im „Pulvererhof“

Nun gibt es mit dem Fuß ein Problem. „Aber es wird schon wieder werden“, meint er hoffnungsvoll. Seit Februar dieses Jahres wohnt Josef im Seniorenwohnheim in Mareit, im „Pulvererhof“. Das Haus kennt er bereits von früher. Er hat in der ehemaligen Taverne im Haus oft das Tanzbein geschwungen und sich unterhalten. So gab es etwas Bekanntes, als er hier eingezogen ist. Mittlerweile sind die anderen Bewohner und auch die Mitarbeiter von seiner guten Laune und seinen Scherzen angetan. „Oh, du lieber Josef“, sagt so manche Frau, die ihn besuchen kommt. „Ich habe viele Frauen gehabt, aber bin trotzdem ledig geblieben“, meint er schmunzelnd. „Ich kann lachen und Dummheiten machen, Lesen und Kartenspielen sind nicht das Meine“ und „zum Schuhplattln muss man schon geschaffen sein, das kann nur ein Mann, eine Frau könnte das nicht machen, das geht nicht zusammen“, meint Josef Thaler mit seinem Jägerhut auf dem Kopf und dem allseits bekannten freundlichen Lächeln über das ganze Gesicht. 

Redaktion: Brigitte Mayr, Petra Agreiter


Nachtrag: Herr Josef Thaler ist am 7. Mai 2022 friedlich im Herrn entschlafen.


01.05.2022

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